Fritz Grasshoff in Zwingenberg an der Bergstrasse 1967 – 1983
Bereits 1967 zog Fritz Grasshoff mit seiner Frau Roswitha und seinem Sohn Roger in ein neues Domizil nach Zwingenberg. Es war eine schöne kleine, fast verträumte Villa an den Hängen des Melibokus in der Orbisstrasse Nr 14 umgeben von einem leicht verzaubernden Grundstück. Später werden wir noch mehr von dem Leben dort hören und dem wunderschönen, fast naturbelassenen Garten, der dieses Haus, seine Bewohner und die eigenwillige Gemeinschaft an Tieren umgab. In keinem anderen Haus hat Grasshoff je länger gelebt als hier an der sonnenverwöhnten Bergstraße.
Fritz Grasshoff war offensichtlich eine Berühmtheit, nicht nur an der Bergstrasse, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum, denn schon sehr kurzfristig nach meiner Wahl zum dortigen Bürgermeister und Stadtdirektor fragte mich meine Sekretärin Elke Gulden ob ich einen Fritz Grasshoff kenne. Dieser würde hier leben und ich müsste ihn unbedingt besuchen. Als meine Erwiderung„ ich kenne einen Literaten, der die Halunkenpostille und Klassische Halunkenpostille geschrieben habe, war ihre Antwort, dies müsse wohl ein anderer sein, denn der hier wohnende sei Graphiker und Maler und habe auch ein Musical für Kinder geschrieben, dies hieße „Foxy rettet Amerika“.
Meine Neugierde war geweckt, und ich verabredete einen ersten Besuchstermin. Roswitha Grasshoff hatte für diesen ersten Besuch offensichtlich einen Kuchen gebacken, denn das ganze Haus duftete nach der Backware. Es war Anfang Oktober und wir saßen auf der Terrasse mit Blick in die gepflegte Wildnis eines Gartens mit altem Baumbestand. Wir tasteten uns zuerst mit Gefälligkeiten, später in interessanten Diskussionen ab und stellten schnell, trotz des immensen Altersunterschiedes und vielfacher anderslautender Einschätzungen, Meinungen und Lebenserfahrungen, gemeinsame Interessen fest. Sofort bemerkte ich , dass beide oben genannten Grasshoffs, der mir bekannte Literat und der in Zwingenberg berühmte Maler, wohl dieselbe waren. Ich war sofort begeistert von all den neuen Gedanken, die seinem Kopf entsprudelten. Er war, wie ich das später einmal in einer Rezension las, ein Brunnen, der aus zwei Quellen gespeist wurde. Später lernte ich eine dritte Quelle kennen, aus dieser floss offensichtlich das monetär Notwendige hervor. Mit seinen hervorragenden Schlagertexten für Hans Albers, Freddy Quinn, Lale Andersen, Schobert und Black und viele weitere Interpreten hatte sich Grasshoff aus den GEMA-Gebühren ein Stück finanzielle Freiheit geschaffen. Als Gründungsmitglied der GEMA nach dem 2. Weltkrieg bekam er quasi eine monatliche Rente, die ihm jede künstlerischen Freiheit erlaubte und es ihm ermöglichte, seine Werke ohne Kompromisse an den Mann bringen zu können und jedem, ob er es hören wollte oder auch nicht, seine eigene Sicht der Dinge glashart zu Gehör zu bringen. Dabei formulierte er direkt, oft viel zu scharf, was ihm nicht passte, und es waren viele Dinge, die ihn spontan auf die Palme bringen konnten wie z. B. nur ein Lorbeerblatt in einem Essen.
Die gelegentlichen Nachmittagsbesuche beim Ehepaar Grasshoff wurden für mich dennoch zu einer Quelle der Entspannung und eine Zeit, in der wir neben ausgiebigen Diskussionen auch Lesungen, Ausstellungen und Veranstaltungsbesuche planten. Sehr schnell lernte ich sein Studio unter dem Dach kennen, in dem die berühmten Stegbilder entstanden und in vielen Stunden, Tagen und Nächten der wohl halbbiographische Roman „Der blaue Heinrich“. Wegen einer schweren Augenkrankheit hatte Fritz Probleme beim Malen und Zeichnen und schuf sich in den dreidimensionalen Stegbildern ein neues Ausdrucksmittel, das auch schnell viele Liebhaber fand, da Sonne und künstliches Licht jeweils neue Impressionen hergaben. Daher sind heute nur noch wenige dieser Exponate für die Öffentlichkeit zugänglich. Auch wegen dieser Augenkrankheit hatte er sich angewöhnt sowohl seine Manuskripte als auch die persönlichen Briefe auf hellgrünem Briefpapier zu verfassen, da dies nach seiner Auffassung seinen Augen weniger Strapazen bereitete.
Stegbild aus 1973 Kelch und Feuerofen 30,5 x 37,5 cm
Stegbild aus 1971 Wir lebten von der Kuh…. 68 x 59 cm
Hier in Zwingenberg in der Bibliothek und in seinem Dachatelier waren in den letzten zehn Jahren viele literarische Meisterwerke entstanden, wurden hier redigiert und die Bücher mit herrlichen Vignetten und Graphiken aus seiner Hand geschmückt und zu Augenweiden und bibliophilen Kostbarkeiten geformt.
Hier entstanden:
1970 für Kiepenheuer & Witsch das „Bilderreiche Haupt- und (G)Liederbuch“, welches
1974 auch im DTV als Taschenbuch erschien,
1971 für den Moeck Verlag in Celle „Kurzgelochte Parahistorie zur echten Flötenforschung“ und für den Verlag Schott´s Söhne in Mainz das Libretto für die Chor-Revue „Warehouse-Life“,
1972 für den Horst Erdmann Verlag in Tübingen den „Seeräuber-Report“, Songs, Lieder und Balladen für den Haus- und Marktgebrauch, der 1976 im DTV München auch als Taschenbuch erschien,
1975 für den Verlag Schott´s Söhne in Mainz das Libretto für das Kindermusical „Foxy rettet Amerika“.
1980 für die Nymphenburger Verlagsbuchhandlung München der bereits erwähnte Roman „Der blaue Heinrich“, der im DTV 1982 auch als Taschenbuch erschien.
1981 gab es durch den Limes Verlag München eine Neuauflage von Grasshoff´s „Neue große Halunkenpostille“ und
1982 durch die Nymphenburger Verlagshandlung Neuauflagen der „Klassischen Halunkenpostille“ und „Grasshoffs unverblümtes Lieder- und Lästerbuch“
Nicht erschienen in dieser Zeit, aber immer wieder bearbeitet in seinem Dachatelier in der Orbisstrasse, wurde die Neuübersetzung von Fredmanns Episteln von Carl Michael Bellman aus dem Schwedischen, die Fritz Grasshoff bei seinem langjährigen Aufenthalt in Schweden kennen und lieben gelernt hatte.
Im ersten Stock seines Anwesens lag eine gemütliche und umfangreiche Bibliothek, die nicht nur von Fritz zu Studienzwecken für neue Fabeln, Kurzgeschichten, Lieder, Gedichte und „umgehosten“ Übersetzungen genutzt wurde, etwa wie für die Bellman-Übersetzungen oder die nicht ganz klassischen Lateinübersetzungen, die Eingang in die Lateinbücher der deutschen Schüler als moderne, zeitgemäße Umsetzungen fanden, sondern in der auch Roswitha ihr Wissen stets vertiefte und ihren geliebten Schopenhauer, wie andere Menschen die Bibel, ins tägliche Leben umsetzte. An vielen Abenden wurde in dem dort befindlichen Kamin leckere Pizzen und Kuchen zubereitet und lange Gespräche über Kunst mit unzähligen Interpreten seiner Chansons und Bänkellieder und vielen Freunden geführt. Zu den häufiger erscheinenden Besuchern zählte der Darmstädter Bildhauer Tomada, der Schweizer Drehorgelspieler und Moritatensängersänger Peter Hunziker und seine Chansoninterpreten und Rezitatoren Frau Lebaan und Hans Theo Richter. Hier wurden nicht nur leckere Speisen serviert, sondern auch viele gute Weine verzehrt, Fritz liebte einen guten roten Tropfen, natürlich in Maßen.
Roswitha war die Seele in Haus und Garten, bewirtete ihren Fritz und seine Gäste mit hervorragender Küche, war eine kenntnisreiche und begnadete „Kräuterhexe“ und erledigte für Fritz alles Unangenehme, das hieß in seinem Sinne: alles Finanzielle und den notwendigen Schriftkram mit Behörden, Verlagen etc. Allerdings glaube ich, dass auch sie es war, die den Zutritt zum Haus den Gästen gewährte und ggf. auch verwehrte.
Zu seiner ersten Ausstellung im Rathaus Zwingenberg hat mit Fritz mal selbst eine Vita verfasst mit seiner uralten Schreibmaschine auf hellgrünen Manuskriptpapier, dreimal aus Einzelteilen geklebt, also ein wundervolles Unikat zum Vorstellen:
Sehr viel Arbeit hat er in Zwingenberg in seinen Roman „Der blaue Heinrich“ investiert. Ein Highligth war für ihn somit die Präsentation in Hamburg:
Zu den beliebten Einlagen an den zahlreichen Abendgesellschaften, auch mit ausgewählten Bergsträßer Freunden und Sammlern, zählten immer wieder das in Gang setzen der großen Drehorgel im Wohnzimmer und der vielen alten Trichtergrammophone und Spieluhren, die das Wohnzimmer zierten und auf vielen seiner Gemälde und Graphiken verewigt sind.
Für Fritz Grasshoff wurden öfter Ausstellungen und Lesungen geplant im Rathaus und in der Galerie Getwinc, später mehr im Kellertheater der Stadt Zwingenberg, aber auch in der Stadt Hagen, in der Stadthalle in Hilden, im Rathaus von Norderstedt und in Darmstadt, etc. Am 10. Dezember 1978 wurde im Sitzungssaal des Rathauses der Stadt Zwingenberg eine große Retrospektive seiner Bilder, Zeichnungen, Graphiken, Collagen und Illustrationen anlässlich seines 65. Geburtstages eröffnet. Anlässlich seines 70. Geburtstages wurde eine retrospektive Ausstellung seiner Gemälde, Graphik und Miniaturen in der Galerie Getwinc in der historischen Scheuergasse gezeigt. In Hannover und in Darmstadt inszenierte das Theater sein Musical für Kinder „Foxy rettet Amerika“ und sein Roman „Der blaue Heinrich“ wurde auf dem Schiff „Alte Liebe“ in der Hamburger Innenstadt von der Nymphenburger Verlagsbuchhandlung der Öffentlichkeit vorgestellt.
Zu den vielen Besuchern in seinem gastlichen Haus zählten auch die Professoren und Dozenten der Kunstakademie aus Gdansk (Polen), da angeregt durch Arnim und Katherina Ziemann, zwischen der Stadt Zwingenberg und der Kunstakademie in Danzig ein reger Austausch an Künstlern stattfand und viele polnische Künstler in der Rathausgalerie und in der Galerie Getwinc in der Scheuergasse ihre Werke ausstellen durften. In dieser Zeit erteilte auch Fritz Grasshoff dem Prof. Slawoj Ostrowski den Auftrag für ein Grasshoffportrait in Granit, da dieser in Polen bereits als ein Portraitexperte gehandelt wurde.
Um den Charakter von Fritz Grasshoff und die Einstellungen des Ehepaars Grasshoff darzustellen, möchte ich seine eigenen Worte nutzen aus seinem in diesen Jahren entstandenen Aufsatzentwurf mit dem Titel
„Ich bin nicht immer meiner Meinung“:
Warum ich schreibe, ist eine komplexe Frage und die Antwort sollte keine Sardine sein; Kopf- und schwanzlos, beiläufig aus der Marinadendose geangelt. Sie ist schon einen Eimer frecher Antworten wert. Aber den hat man nicht parat. Ich werde die Fische nach und nach aus mir herausholen müssen; werde mich behorchen, loten, messen, testen, des Längeren, des Tieferen, und befragen, morgens und abends, voll und leer, nass und trocken. Ich werde gut eine Woche zu tun haben (wie ich mich kenne), um den Eimer voll zu kriegen. Es wird nicht alles Antwort sein, was dort glitzert, ein paar Dwarslöper wird man dazwischen finden, einen alten Schuh sicher und Muddel und Sand.
Ich schreibe, weil es vor mir keinen (solchen) Grasshoff gegeben hat, und nach mir keinen (solchen) geben wird…..
Ich schreibe, um die Mächtigen zu entmachten, die Laus zu adeln, den Papst zu bannen, den Haifisch umzufunktionieren, die Wälder zu ändern – für fünf Pfennige…..
Ich schreibe, weil es die Pflicht der Mündigen ist, Farbe zu bekennen……
Ich schreibe, weil das Papier so unverschämt weiß ist, weil ich eine Schreibmaschine habe; um mich zu messen im Fingerhakeln mit Satz- und Fragezeichen, um die Sprache zu knutschen, zu knautschen, zu strippen, zu streicheln, zu treten, zu knuffen, zu orgeln, ihr einzuheizen.
Ich schreibe, um zu singen, zu tanzen – nach meiner Pfeife (mit meiner Muße – ganz recht: sie hat ein Holzbein), mir Lust zu schaffen durch Rhythmus und Prosodie, und zu zeigen wie das geht…..
Ich schreibe um mich vor mir zu verstecken
mich zu finden
zwischen Strichen streichen
werben Scherben
Wort – Bruch
Ich bin was noch nicht durchgestrichen ist.
Ich schreibe, um Geschriebenes wieder umzumodeln: in Zeichnung, Zeichen, Zinken, Collagen, Bulagen etc. gezeichnet, geschrieben, gesungen – gehopst wie gesprungen. Ich schreibe, um nicht gegen (ein paar Sachen) anreden zu müssen, die mir das Kellerloch zeigen; um etwas zu machen, was mir immer fehlte……
Fritz Grasshoff war ein ruheloser Geist, der jeden Tag acht bis zehn Stunden malte, zeichnete oder an neuen Literaturentwürfen bastelte. Unendlich viel Kraft hat ihn wohl sein Roman „Der blaue Heinrich“ gekostet. Er hat sich stets als Künstler bewiesen, den man weder als Literat noch als Maler einordnen kann. Sein literarischer Standort könnte Mehring, aber auch Brecht oder Ringelnatz sein. Allein schon die Verschiedenheit dieser drei und sein vorn abgedruckter Entwurf zeigen jedoch seine Eigenständigkeit auf. Als Maler wurde er von vielen Vorbildern wie Klee und Picasso beeinflusst, findet aber auch hier, trotz aller Abwandlungen in den unterschiedlichen Schaffensphasen und in den vielen angewandten Techniken, einen unverkennbaren und oft erzählenden Stil mit eigenen Chiffren und Signen. Wir finden sie bereits in den Pastellen, die aus seinen Russlandzeichnungen erstanden, sehen sie stärker in den Kaseinbildern der fünfziger Jahre und vor allen Dingen in seinen Teppich- und seriellen Bildern der siebziger Jahre und in den vielen schnellen Tuschezeichnungen der Zwingenberger Zeit. Seine vor allen Dingen hier in Zwingenberg entstandenen Miniaturen sind eigentlich prachtvolle Gemälde, die auch in zigfacher Vergrößerung noch Detailtreue und Leuchtkraft besitzen. Witz, Einfallsreichtum und Expressivität sprühen aus den Monotypien, die hier an der Bergstraße zahlreich den schwarz eingefärbten Glasplatten entrissen wurden. Um sein Auge zu schulen und seine Hand zu trainieren hat er in unzähligen Blättern Alte Meister in seinen Malstil umgesetzt und sich so sein eklektisches Museum geschaffen. Eine Manie entwickelte Fritz in Zwingenberg mit seinen Bildern. Bilder der Vorjahre wurden überarbeitet und neu farblich ins Licht gerückt, so finden wir teilweise als Entstehungsjahr zwei oder drei Daten. Dasselbe konnte auch bei Schwarz-Weiß-Zeichnungen passieren. Hier wurden neue Schattierungen und Flächen-bearbeitungen vorgenommen. Ich möchte nur zwei Beispiele aufzeigen.
Zu Beginn berichtete ich von den tierischen Mitbewohnern im Hause Grasshoff. Da auch dieser Aspekt uns Fritz Grasshoff näher beleuchtet, möchte ich von seiner Liebe zu den Vögeln erzählen. Mitten im Wohnzimmer lebte der Hahn Siegfried, ein Zwerghahn, der dort nicht nur Zutritt hatte, sondern dem auch für seine Besuche die Wege mit Zeitungspapier ausgelegt wurden, damit keine bleibenden Erinnerungen seine Wege zierten. Andere Besucher lebten zwar im Garten, waren aber jeden Morgen pünktlich zur Stelle, wenn Fritz nicht nur sein eigenes Frühstück verzehrte, sondern unzählige Brot- und Kuchenkrumen für die Vögel des Gartens direkt auf dem Frühstückstisch ausbreitete und seine Freude hatte an den zahlreichen und stimmgewandten Besuchern.
Es war eine abwechslungsreiche und unterhaltsame Zeit, die er in Zwingenberg verbrachte und ich durfte ihn als Freund auf einigen Fahrten zu seinen Lesungen und Ausstellungen begleiten und in manche Verwaltungsfragen beraten.
Im Jahre 1983 eröffnete er mir dann ganz unvermittelt, dass die Bergstrasse zu laut für ihn geworden sei, die Nachbarn zu viele Stunden und zu oft Rasen mähen würden und zu viele Düsenjäger zu niedrig über den Melibokus rasen würden, außerdem sei in Europa die Gefahr eines Atomkrieges immanent. Er habe Verwandte in Kanada besucht, habe sich dort ein Haus mit großem Grundstück am Ottawa-River ausgesucht und seine Auswanderung nach Kanada eingeleitet. Auch heute noch bin ich nicht ganz sicher, ob dies seine Gründe und Bedenken waren oder ob Roswitha die treibende Kraft bei der Auswanderung war. Eines steht außer Zweifel: Die negative Kritik des selbsternannten Papstes der Deutschen Literaturgeschichte Reich-Ranitzki und sein Unvermögen, die von Fritz Grasshoff benutzte Landsersprache des 2. Weltkrieges verstehen zu können, haben bei Fritz Grasshoff tiefe Spuren, ja sogar Zornausbrüche, hinterlassen. Nachdem auch noch Günter Grass der Kritik beipflichtete, glaubte er sich noch unverstandener in seiner deutschen Heimat.
Freude machte ihm die aus der Feder von Peter Eckermann, (oder doch aus seiner eigenen?) entstandenen „Merkverse zur besseren Memorisierung der Werke Fritz Grasshoff“ die dieser „zum Gebrauch für künftige Studentengenerationen“ verfasst hat.
Fritz Grasshoff hatte seinen Spaß daran und gab sie mir zum Verwahren für spätere Generationen, was ich nun einlösen möchte:
Im Jahre Null schrieb Fritz diverse
Zeitlieder und Barackenverse
Erquicklich ist die Lektüre vom Hoorter Brevier,
doch weiter kommt man auch ohne ihr.
Was ´m Goethe der Faust und Ernst Jünger Die Zwille, das ist dem Fritz Grasshoff die Halunkenpostille.
Zu seinem Erfolg war es die Ouvertüre,
auf dem Kiez ist es immer noch Pflichtlektüre.
Man liest´s auf dem Klo, man liest´s auch im Bett,
danach schrieb er das Gemeindebrett.
Dann wurde es ernst, im Jahr sechsundfünfzig,
da wurde der Grasshoff ganz plötzlich vernünftig.
Kein Wort mehr über Huren, Halunken und Flegel,
dabei zerfiel´n dann im Fluge die Wege der Vögel.
Beim nächsten Oeuvre, da schlage ich fehl,
denn ich weiß keinen Reim auf Tintagel.
Das ist halt manchmal des Sängers Fluch;
Da lob ich mir das Lieder- und Lästerbuch,
das „unverblümte“, wie es genauer heißt,
danach ist er dann erst mal abgereist.
In Griechenland, Schweden und anderswo,
fand er den Neuen Salomo.
Das verkaufte sich gut, das brachte Moneten,
ein Teil davon ging an Moses & Propheten.
Apropos Kies: die einträglichste Weise,
das war die mit dem Albers – bitte singen Sie leise!
Sonst nimmt Sie der Kapitän nicht mit auf die Reise.
In den Sechzigern war er dann richtig bekannt,
und wenn er dann so neben dem Kanzler stand,
dann ging´s durch die Menge, dann fragte wer:
Du, der neben Grasshoff, wie heisst´n der?
Er kannte Politiker in aller Herren Länder,
67 entstand der Ganovenkalender
und die Gaunerzinken, im selben Jahr;
da fragt man sich, wer da wohl Vorbild war.
Dann, anno 70, ein neuer Versuch:
Das Bilderreiche Haupt- und Gliederbuch.
Die Glieder, die dort zu Ehren kamen;
Die nenn´ ich nicht, in Gegenwart von Damen.
Für die, die stets auf harte Sachen pochen,
schrieb er kurz danach den Singenden Knochen.
Einiges, was zu beknackt,
hat er ins Querbeet-Buch gepackt.
Wagner hat´s (bekanntlich) mit dem Nibelungenhort;
Grasshoff schrieb einen Seeräuber-Report,
Ein Jammer, dass dieser so spät pupliziert,
Ludwig der zweite hätt´ ihn bestimmt finanziert.
Sogar antikes hat er umfrisiert,
und nach seinem Geschmack halunkisiert.
Das ergab die Klassische Postille:
Griechisch, Latein, durch die Ganovenbrille.
In den siebziger Jahren – ich erzähl keine Schmäh –
da kam er dann auf den englischen Dreh:
Warehouse-Life hieß dieser Titel;
Frei nach dem Motto: The Zweck sanctions the Mittel.
(Der Erfolg war dementsprechend – nämlich little.)
Noch bevor er kam nach Kanada,
da schrieb er schon Foxy rettet Amerika.
Erinnern Sie sich an Polanskis „Piraten“?
Ein Fiasko. Der wäre besser beraten
Gewesen, mit Grasshoffs Version, mit Musik von Olias.
Das läuft noch bis heute im WDR und im RIAS.
Der alte Schwede Bellmann,
das war ein rechter Schwellmann.
Der dichtete und soff, zu eigener Ergötzung.
Jetzt lebt er fort, in Grasshoffs Übersetzung.
Eh ich jetzt mit Ihnen am Wein riech,
schnell noch ein Wort über den Blauen Heinrich.
Was der so treibt, auf vierhundertdreißig Seiten …..
Ehrlich, ich würd` ihn gern begleiten.
Der Günter Grass, der hat ganz laut gequengelt,
und Vieles am Roman bemängelt:
er hielt das ganze schlicht für Schutt,
das einzig Wahre sei „Der Butt“,
Grasshoff folgte seinem Rat,
er schreibt jetzt an „Blauen Matzerath“.
Dann kam der Marcel Reich-Ranitzki
Und machte seine dummen Witzki:
Der Aufbau sei doch ziemlich verzickt,
und außerdem werde dort zu viel gef – aselt.
(Drauf Fritz) Lasst es gut sein, Ihr bied´ren Gelehrten,
mit Entsagung, Verzicht und mit höheren Werten,
mit Sublimierung, kurz mit dem bekannten Frust.
Mein Heinrich scheißt auf Euch – und zwar mit Lust.
Dies ist das Dichtungs-Repertoire,
soweit es aktenkundig war.
Von Grasshoffs Bildern will ich schweigen,
die soll er uns dann selber zeigen.
Auch sollte sich der Verse Reigen
Allmählich jetzt dem Ende neigen.
Bevor noch hebt Gemecker an,
zieht sich zurück der Peter Eckermann.
P.S.
Ich weiß, das meine Verse hinken.
Ich hoffe, ´s gibt bald was zu trinken.
Die folgenden Bilder zeigen Fritz, Roswitha, Frau Lebaan und Hans-Theo Richter, die zur Abschiedsparty im Juni 1983 angereist waren und mich selbst in der historischen Scheuergasse in Zwingenberg.
Im Juni wurde sehr kurzfristig der gesamte Haushalt mit allen Orgeln, Grammophonen, Leierkästen, Gemälden, Zeichnungs- und Graphikmappen und die riesige Bibliothek in Überseecontainern verladen und der erneute und letztmalige Flug nach Montreal von Fritz, Roswitha und Sohn Roger angetreten. Sein Anwesen in Zwingenberg war noch längst nicht verkauft, und so erteilte er mir die Vollmachten Haus und Grundstück zu Höchstpreisen zu verkaufen und die Gelder nach Kanada zu transferieren.
In Deutschland blieben die von mir erworbenen Gemälde, Zeichnungen, Monotypien und Graphiken, seine noch mit frischer Ölfarbe versehene Palette, die sich später rückseitig als der erste Versuch seiner berühmten Stegbilder herausstellte, und eine Abschrift des von ihm so geliebten Manuskripts der Bellman-Übersetzung der Fredman Episteln mit dem Auftrag, einen Verleger zu finden, doch davon hören wir später.
Palette aus Zwingenberg rückseitig: mit Fritz´s Lieblingsfarben
Der erste Versuch eines „Stegbildes“
Peter M. Stajkoski im Jahre 2013